Griechenlands Ferienhäuser sind jetzt Schnäppchen
Die Preise für griechische Ferienimmobilien sind um bis zu 60 Prozent eingebrochen – doch kaum jemand wagt einen Kauf. Die Angst ist groß, dass ein Euro-Austritt das investierte Geld pulverisiert.
Mal fehlt es an Euros für Reparaturen an öffentlichen Gebäuden, mal mangelt es an Mitteln zur Sanierung der Wasserleitung – und die Schlaglöcher in den Straßen müssten auch noch geflickt werden. Jedes Mal Anträge stellen, Formulare ausfüllen.
Immer im Wissen, dass aus Athen am Ende sowieso eine Absage kommt, weil im hoch verschuldeten Staatshaushalt kein Geld mehr vorhanden ist. Bürgermeister Michalis Patros und die Mitglieder des Gemeinderates der Insel Chalki hatten die Nase voll von alldem.
Sie wollten die Sache in die eigene Hand nehmen – und Alimnia, ein kleines Eiland in ihrem Gemeindebezirk, an einen ausländischen Interessenten verkaufen oder zumindest vermieten. "Wir wollen nicht länger beim Staat betteln müssen", sagte Patros der griechischen Tageszeitung "Proto".
Wütender Protest gegen Inselverkauf
Die Chancen, einen Käufer aus dem Ausland zu finden, standen gut: Alimnia, 6,5 Quadratkilometer klein, inmitten der Dodekanes-Inselgruppe nur sieben Kilometer von Rhodos entfernt gelegen, wartet mit sauberen Sandstränden, kleinen Wäldchen und sogar Quellen auf – und einer historischen Sehenswürdigkeit: Auf dem 274 Meter hohen Gipfel des Inselbergs thront die Ruine einer Johanniterburg aus dem 12. Jahrhundert.
"Alimnia ist eine Insel mit überragender Schönheit", warb Patros und rechnete mit vielen Angeboten. Mit dem Geldregen wollte er die Infrastruktur auf Chalki endlich auf Vordermann bringen.
Tatsächlich meldeten sich etliche Interessenten, nachdem der Bürgermeister den Plan vor gut acht Monaten vorgestellt hatte. Verkauft oder vermietet ist Alimnia jedoch bis heute nicht. Es hagelte Proteste aus Regierungskreisen in Athen und in Internetforen.
Patros und seine Kommunalpolitiker wurden als "Verschleuderer heiligen griechischen Bodens" beschimpft. Schließlich ruderten sie zurück. Ein kompletter Verkauf sei nicht mehr geplant, ließ der Bürgermeister inzwischen griechische Medien wissen. "Allenfalls ein Teil der Insel könnte vermietet werden."
Bürokratie verhindert Erwerb
Für den Makler Farhad Vladi ist all das nicht überraschend: "Griechenland hat seit mindestens 50 Jahren verhindert, dass eine seiner Inseln in ausländischen Besitz gerät", weiß der Inhaber des auf die Vermittlung von Inseln spezialisierten Hamburger Maklerbüros Vladi Private Islands.
Offiziell sei ein Erwerb griechischer Eilande durch EU-Bürger zwar möglich. "Praktisch verhindert dies jedoch die griechische Bürokratie in höchster Effizienz", schildert Vladi. 32 Genehmigungen müssten vor einer Besitzübertragung eingeholt werden.
"Vom Verteidigungsministerium über die Forstwirtschaft und die Hafenbehörden bis hin zu Liegenschaftsämtern und dem örtlichen Bürgermeister müssen Zustimmungen vorliegen", erläutert der Makler. "Spätestens nach dem achten Genehmigungsverfahren geben Interessenten auf."
Denn im Verlauf des jahrelangen Prozederes werde potenziellen Käufern das enorme Risiko deutlich: Selbst wenn es einem Ausländer nach vielen Jahren gelingen sollte, eine Insel zu erstehen, hat er "angesichts der immensen bürokratischen Hürden kaum eine Chance, sie jemals wieder verkaufen zu können", sagt Vladi. "Athen will zwar Geld von Europa, aber keine Europäer als Eigentümer seiner Inseln."
Preise brechen ein
Bei Ferienimmobilien sieht es zwar anders aus. EU-Bürger können relativ problemlos Häuser und Wohnungen als Zweitwohnsitz im Land erwerben. Meist ist nur eine Genehmigung des Verteidigungsministeriums und der örtlichen Kommune nötig.
Doch selbst wenn diese zustimmen, droht man in vielen Fällen am Ende mit leeren Händen dazustehen. Noch immer gibt es in weiten Teilen Griechenlands kein Katasterwesen. Interessenten müssen Anwälte damit beauftragen, in langwierigen Prüfungen festzustellen, ob der Verkäufer auch tatsächlich Eigentümer des angebotenen Objekts ist.
Das hat bereits in der Vergangenheit das Interesse von Deutschen, Briten, Niederländern, Österreichern und Schweizern an Urlaubsdomizilen im Land stark gedämpft. Jetzt lässt die geringe Nachfrage die Preise komplett einbrechen. Denn immer mehr Eigentümer aus dem griechischen Mittelstand müssen ihre Zweitwohnsitze abstoßen, um ihre Familien durch die Krise zu bringen.
Die Sparprogramme haben die offizielle Arbeitslosenrate auf 22,7 Prozent in die Höhe getrieben. 734.347 Erwerbslose – 7,4 Prozent der 9,9 Millionen Einwohner – sind nach Angaben der Arbeitsbehörde OAED bereits so lange ohne Job, dass sie keinen Anspruch auf staatliche Hilfe mehr haben.
Villa für 79.000 Euro
Um bis zu 60 Prozent sind die Preise von Villen und Apartments in den vergangenen beiden Jahren auf dem Festland und den 87 bewohnten Inseln gefallen. Viele Griechen hoffen händeringend darauf, dass ihnen ein Ausländer ihre Immobilie abnimmt.
Für ein kleines Anwesen aus Haupt- und Gästehaus auf einem Hügel mit Blick auf das Ägäische Meer bei Alexandroupolis werden derzeit im Immobilienportal immonet.de nur 72.000 Euro verlangt.
Eine 100 Quadratmeter große, vor nur zehn Jahren errichtete Villa samt üppigem Garten mit Granatäpfel-, Orangen- und Zitronenbäumen am Meer bei Thessaloniki wird für 79.000 Euro angeboten. Ein komplett saniertes Steinhaus auf Kreta mit drei großen Zimmern, Kamin und 40 Quadratmeter messendem Innenhof soll nur 90.000 Euro kosten.
"Desaster in Griechenland"
Und dennoch bewegt sich kaum etwas am Markt. "Es ist ein Desaster in Griechenland", stöhnt der auf Auslandsferienimmobilien spezialisierte Makler Theo Neugebauer aus Herten. Obwohl die Preise fallen und fallen, wollten weder Deutsche noch Österreicher oder Schweizer zuschlagen. "Viele haben Angst davor, dass sie jetzt für eine Immobilie in Euro bezahlen, für die sie später nur minderwertige Drachmen zurückbekommen", erläutert Neugebauer.
Die Furcht ist nicht unberechtigt, solange nicht sichergestellt ist, dass Griechenland in der Gemeinschaftswährung bleibt. Sollte der Schuldenstaat aus der Euro-Zone fliegen, würde die neue griechische Drachme an den Kapitalmärkten sofort gegen den Euro fallen. Ein Großteil des in eine Ferienimmobilie investierten Geldes könnte dann über Nacht pulverisiert werden.
Andere setzen genau darauf. Zwar erkundigen sich beim Makler regelmäßig Interessenten nach Objekten in Griechenland. "Viele von ihnen wollen jedoch mit dem Kauf warten, bis die Drachme wieder eingeführt ist", schildert Neugebauer.
Die Idee dahinter: Die neue weiche Währung würde Immobilien in Griechenland noch billiger machen. Zudem würden sich Importe im Land verteuern und mit dem Kostendruck einheimische Zweitdomizilbesitzer noch stärker unter Verkaufsdruck bringen. Verlierer sind nicht nur Griechen. Auch Deutsche, die in der Vergangenheit Haus oder Wohnung im Land erworben haben, müssen derzeit hilflos mitansehen, wie der Wert ihrer Immobilie immer weiter sinkt.
welt.de